Albert Schweitzer (1875–1965) war ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Leben und Wirken tiefgreifende Spuren in Theologie, Musik, Medizin und Ethik hinterließ. Sein Engagement für die Menschheit, seine kulturelle Doppelidentität und seine philosophischen Grundsätze machen ihn zu einer faszinierenden Persönlichkeit der Weltgeschichte.

Heute vor 150 Jahren wurde er geboren. Ohne ihn persönlich kennengelernt zu haben (da liegen doch paar Jahre zwischen uns 😉) habe ich einen besonderen Bezug zu diesem faszinierenden Menschen.

Kindheit: Eine Brücke zwischen zwei Kulturen

Ludwig Philipp Albert Schweitzer wurde am 14. Januar 1875 in Kaysersberg (Elsass) geboren, das damals Teil des Deutschen Kaiserreichs war. Sein Vater war evangelischer Pfarrer, und die Familie zog bald nach Günsbach, wo Albert seine Kindheit verbrachte. Bereits als Kind zeigte er eine außergewöhnliche musikalische Begabung, insbesondere am Klavier und der Orgel, die sein weiteres Leben begleiten sollte.

Das Elsass, eine Region an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, prägte Schweitzer stark. Er wuchs zweisprachig auf und war sowohl mit der deutschen als auch der französischen Kultur vertraut. Diese kulturelle Doppelheit wurde später ein wichtiger Bestandteil seiner Identität. Sie brachte ihn immer wieder in schwierige Situation – die politische Lage zwischen Frankreich und Deutschland war ja zwischen 1870 und 1945 nicht einfach – da er oft missverstanden wurde.

Albert Schweitzer

Studium der Theologie und Musik: Zwei Leidenschaften im Einklang

Alors que j’inaugurais les orgues d’Héricourt, le dimanche des Rameaux 1923, des gens de Seloncourt sont venus me trouver et m’ont littéralement enlevé dans leur voiture afin que je voie l’église et que je prenne des dispositions pour y construire un orgue….

Lettre d’Albert SCHWEITZER (à Lambaréné) à Alfred KERN (à Strasbourg) Pâques 1960

Nach seinem Schulabschluss begann Schweitzer 1893 sein Theologiestudium an der Universität Straßburg. Er setzte sein Studium in Paris und Berlin fort und promovierte 1899 mit einer Arbeit über die Abendmahlsfrage bei den Reformatoren. 1901 habilitierte er sich mit der Schrift Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis. Seine theologische Arbeit zeichnete sich durch eine tiefe kritische Auseinandersetzung mit dem Leben Jesu aus.

Parallel zu seinem Theologiestudium widmete sich Schweitzer der Musik. Er wurde ein Meister der Orgel, insbesondere der Werke Johann Sebastian Bachs. Sein Hauptwerk J.S. Bach: Le Musicien-Poète erschien 1905 und machte ihn international bekannt.

Zudem setzte er sich für die Restaurierung historischer Orgeln ein und wurde ein gefragter Konzertorganist. Er zeichnete ebenfalls die Pläne für Orgeln. Und da besteht meine Verbindung zu Albert Schweitzer. In Seloncourt (Doubs) in der neuen evangelischen Kirche befindet sich eine Orgel, dessen Pläne er gezeichnet hat. Mein Vater war lange der Organist und spielte sehr gerne auf dieser besonderen Orgel. Auch meine Tochter hatte die Möglichkeit darauf zu spielen. Mein Vater setzte sich auch stark für den Erhalt und die Restaurierung dieser Orgel ein.

Zwischen Frankreich und Deutschland

Schweitzers Staatsbürgerschaft war eng mit der Geschichte seiner Zeit verknüpft. Geboren als Franzose, wurde er nach der Annexion des Elsass durch das Deutsche Kaiserreich 1871 automatisch deutscher Staatsbürger. Nach dem 1. WK kehrte das Elsass zu Frankreich zurück, und Schweitzer wurde 1919 wieder Franzose, während seine Frau Hélène, eine gebürtige Berlinerin, eine französische Einbürgerung beantragen musste. Schweitzers kulturelle Wurzeln und seine zweifache Loyalität – sowohl zur deutschen als auch zur französischen Kultur – wurden oft missverstanden. Dennoch betrachtete er diese Verbindung als ein „Erbe“ und einen „schönen Vorzug“, der sein Denken prägte und seine universalistische Sichtweise formte.

Albert Schweitzer

Albert Schweitzer an der Orgel in Nancy  1962

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Das Medizinstudium im 2. Bildungsweg
Albert Schweitzer

Die Ausrüstung des Buscharztes (coll. Albert-Schweitzer-Museum in Kaysersberg).

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Trotz seiner erfolgreichen Karriere als Theologe und Musiker entschied sich Schweitzer 1905, Medizin zu studieren. Sein Ziel war es, der Menschheit auf eine ganz praktische Weise zu dienen. Deshalb fing er mit 30 Jahren ein weiteres Studium an – sehr unüblich in dieser Zeit. An der Universität Straßburg spezialisierte er sich auf Tropenmedizin und Infektionskrankheiten. 1911 schloss er sein Studium mit einer Dissertation zur Psychiatrie ab und erhielt 1913 die Approbation als Arzt. Schweitzer opferte seine musikalische und theologische Karriere, um seinen Traum, in Afrika zu helfen, zu verwirklichen.

Lambarene: Ein Krankenhaus für die Menschheit

1913 reisten Schweitzer und seine Frau nach Lambarene im heutigen Gabun, um ein Krankenhaus zu errichten. Dort baute er unter schwierigsten Bedingungen eine medizinische Einrichtung auf, die zum Zentrum seines Lebenswerks wurde. Er behandelte Tausende von Patienten und bekämpfte Infektionskrankheiten wie Malaria und Lepra. Während des Ersten Weltkriegs geriet Schweitzer als Deutscher in französischer Kolonie in Schwierigkeiten und wurde interniert, doch er kehrte nach dem Krieg nach Lambarene zurück.

Schweitzers Engagement brachte ihm weltweite Anerkennung, darunter den Friedensnobelpreis 1952. Mit den Preisgeldern baute er das Krankenhaus weiter aus und setzte seine Arbeit bis ins hohe Alter fort.

Albert Schweitzer Lambarene

Eine stille Kraft im Hintergrund
Helene Albert Schweitzer

Albert Schweitzer heiratete 1912 Hélène Bresslau, die ihn in seiner Arbeit als Krankenschwester und Verwalterin unterstützte. Vor ihrer Heirat war Hélène Bresslau lange Zeit Albert Schweitzers Vertraute und Unterstützerin und tauschte mit ihm einen umfangreichen Briefwechsel aus. Sie teilten die Vision, den Menschen zu helfen, mussten jedoch aufgrund der politischen Umstände oft getrennt leben. Hélène blieb eine zentrale Stütze in Schweitzers Leben, obwohl sie selbst gesundheitliche Probleme hatte. Das Paar hatte eine Tochter, Rhena, die ebenfalls in Lambarene arbeitete und das Lebenswerk ihres Vaters fortsetzte. Sie hatte die Leitung des Krankenhauses von 1965 bis 1970 inne. Zusammen mit ihrem 2. Ehemann gründete sie 1984 das Albert Schweitzer Institute for the Humanities.

Vegetarische Ernährung: Ehrfurcht vor dem Leben

Schweitzers Philosophie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ beeinflusste auch seine Ernährung. Er war ein Befürworter der vegetarischen Lebensweise und argumentierte, dass Menschen keine Tiere töten sollten, wenn pflanzliche Nahrung verfügbar sei. Obwohl er wahrscheinlich nicht sein ganzes Leben strikt vegetarisch lebte, gab es Berichte, dass er in seinen späteren Jahren fast ausschließlich Obst, Gemüse und Bohnen aß. James Cameron, ein Zeitzeuge, schrieb: „Der Doktor isst nur Früchte und Gemüse – aber in großen Mengen, vor allem Mango, Avocado und eine spezielle Art von gekochten Bananen.“

Seine Ernährung spiegelte sein tieferes ethisches Anliegen wider: „Wir haben kein Recht, anderen Lebewesen Leid und Tod zuzufügen, es sei denn, es ist unvermeidlich.“

Albert Schweitzer

Albert Schweitzer mit Frau und Tochter

© https://www.schweitzer.org/decouvrir/chronologie/helene-bresslau/

Albert Schweitzer war eine einzigartige Persönlichkeit, die in vielen Bereichen Außergewöhnliches leistete. Seine Kindheit im Elsass, seine Studien der Theologie und Musik, sein Medizinstudium und seine Arbeit in Lambarene zeigen eine tief verwurzelte Hingabe an die Menschheit. Seine Philosophie der „Ehrfurcht vor dem Leben“ ist bis heute ein ethisches Leitbild.