Museen gehören zu jenen kulturellen Einrichtungen, die uns oft ganz selbstverständlich erscheinen. Wir gehen hinein, staunen über (alte) Objekte und Kunstwerke, lernen Neues – und gehen wieder. Doch hinter den Kulissen leisten Museen eine immense Arbeit: Sie bewahren unser gemeinsames Erbe, fördern Bildung, regen zur kritischen Reflexion an und öffnen Perspektiven auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Um auf diese Leistungen aufmerksam zu machen, wurde der Internationale Museumstag ins Leben gerufen. Jedes Jahr am 18. Mai steht die Welt der Museen im Mittelpunkt. Doch woher stammt dieser Tag? Wer hat ihn ins Leben gerufen? Und wie wird überhaupt ein Museum definiert?
Was ist ein Museum?
Ein Museum wird heute meist nach der Definition des International Council of Museums (ICOM) beschrieben. Die aktuellste (2022 überarbeitete) Definition lautet:
Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Einrichtung im Dienst der Gesellschaft, die materielle und immaterielle Zeugnisse der Menschen und ihrer Umwelt erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Museen sind offen für die Öffentlichkeit, zugänglich und inklusiv. Sie fördern Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten mit Gemeinschaften zusammen, bieten lehrreiche, unterhaltsame und reflektierende Erfahrungen und teilen Wissen.
Kernmerkmale eines Museums sind also:
- Sammlung und Bewahrung von Kulturgütern
- Forschung und Bildung
- Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit
- Gemeinwohlorientierung (nicht kommerziell)
Seit wann gibt es Museen?
Hier eine Auswahl der ältesten „Museen“ der Welt, historisch eingeordnet und bewertet nach Nähe zur heutigen Museumsdefinition:
Paläste der Assyrer (ab 9. Jh. v. Chr., z. B. Nimrud und Ninive)
Ort: Mesopotamien (heutiger Irak)
Sammlungen: Kriegsbeute, exotische Tiere, Tributzahlungen, Monumente, Inschriften.
Zweck: Repräsentation von Macht, Erinnerung an Eroberungen.
Nähe zur Museumsdefinition: Öffentlich nur für Eliten; Bewahrung und Ausstellung klar erkennbar, aber keine systematische Bildung oder Inklusion.
Bemerkenswert: Die Bibliothek von Assurbanipal (7. Jh. v. Chr.) in Ninive enthielt über 30.000 Keilschrift-Tafeln – ein Vorläufer von Archiven und Museumsforschung.
Heiligtum der Musen in Alexandria („Museion“, 3. Jh. v. Chr.)
Ort: Alexandria, Ägypten (unter griechisch-ptolemäischer Herrschaft)
Funktion: Zentrum für Wissenschaft, Forschung, Literatur und Sammlung.
Inhalte: Bibliothek, naturwissenschaftliche Sammlungen, mechanische Geräte.
Nähe zur Museumsdefinition: Sehr hoch – Forschung, Bewahrung, Bildung klar erfüllt. Öffentlich nur für Gelehrte, aber als Institution der Wissensweitergabe ein direktes Vorbild.
Fun Fact: Der Begriff „Museum“ leitet sich direkt hiervon ab.
Privatsammlungen im antiken Rom (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.)
Ort: Römisches Reich
Inhalte: Skulpturen, Gemälde, ägyptische Antiquitäten, Kuriositäten.
Zweck: Statussymbol, kulturelle Bildung der Oberschicht.
Nähe zur Museumsdefinition: Sammlung und Erhaltung ja, aber kaum öffentlich zugänglich – mehr Vorläufer als echtes Museum.
Museen im Islamischen Reich (8.–13. Jh.)
Ort: Bagdad, Kairo, Córdoba, Samarkand
Inhalte: Astrolabien, Manuskripte, Kunstwerke, naturkundliche Sammlungen.
Zweck: Forschung, religiöse und wissenschaftliche Bildung.
Nähe zur Museumsdefinition: Teilweise hoch – Bildung und Forschung zentral, Zugänglichkeit aber meist auf Eliten beschränkt.
Wunderkammern der Renaissance (ab 15. Jh.)
Ort: Italien, Deutschland, später ganz Europa
Beispiele: Sammlung der Medici in Florenz, Kunstkammer Rudolf II. in Prag
Inhalte: Kunst, Naturalia, Kuriositäten, technische Geräte
Zweck: Universales Wissen, Macht- und Bildungsdarstellung
Nähe zur Museumsdefinition: Sehr nah – Grundlage moderner Museen, aber meist privat oder halböffentlich.
Ashmolean Museum (Ashmolean Museum of Art and Archaeology), Oxford (1683)
Ort: England
Besonderheit: Erstes Museum, das explizit für die Öffentlichkeit geschaffen wurde
Inhalte: Antiken-Sammlungen, naturkundliche Objekte
Nähe zur Museumsdefinition: Vollständig – öffentlich, gemeinwohlorientiert, lehrreich, mit Forschung und Sammlung
Louvre, Paris (ab 1793)
Ort: Frankreich
Ursprung: Königliche Sammlung, während der Französischen Revolution der Öffentlichkeit übergeben
Inhalte: Gemälde, Skulpturen, Antiken
Nähe zur Museumsdefinition: Vollständig erfüllt – seitdem Vorbild vieler staatlicher Museen weltweit


Zeichnung von Austen Henry Layard 1853. Rekonstruktion der Stadt Nimrud
© https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38781286


Ashmolean Museum of Art and Archaeology
© http://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77717785


Musée du Louvre
Die Geburtsstunde des Internationalen Museumstags

Der Internationale Museumstag (IMT) wurde 1977 vom ICOM ins Leben gerufen. Die ICOM ist eine weltweite Organisation, die Museen und Museumsfachleute miteinander vernetzt. Sie wurde 1946 gegründet und ist heute in über 138 Ländern aktiv. Ziel war und ist es, Museen als zentrale Orte gesellschaftlicher Bildung, Erinnerung und Identitätsbildung zu stärken – und dies auch nach außen hin sichtbar zu machen.
Der erste Museumstag wurde 1978 gefeiert. Seither findet der Tag jährlich im Mai statt, in den meisten Ländern am oder um den 18. Mai. Dieses Datum hat keinen historischen Ursprung im engeren Sinne, wurde aber bewusst als fester Tag im Kalender etabliert, um eine internationale Sichtbarkeit zu schaffen. Durch die einheitliche Terminierung soll die Aufmerksamkeit weltweit gebündelt werden.
Ziele und Anliegen: Warum ein Museumstag?
Der Internationale Museumstag verfolgt mehrere wichtige Ziele:
- Bewusstsein schaffen:
Viele Menschen besuchen Museen eher beiläufig oder verbinden sie mit Schulbesuchen und Tourismus. Der Museumstag will ein stärkeres Bewusstsein dafür schaffen, was Museen heute leisten – von der Bewahrung kulturellen Erbes bis hin zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten. - Zugänge öffnen:
Am Museumstag öffnen viele Häuser ihre Türen bei freiem Eintritt, bieten Sonderführungen, Workshops oder Mitmachaktionen an. Das Ziel: Schwellen abbauen, neue Besuchergruppen erreichen, Barrieren senken. - Vernetzung fördern:
Weltweit nehmen Tausende Museen teil. Der Museumstag stärkt das Gefühl einer internationalen Gemeinschaft, in der sich Museen gegenseitig inspirieren, ihre Arbeit sichtbar machen und neue Impulse austauschen. - Jährliche Themen setzen:
Der Museumstag steht jedes Jahr unter einem anderen Motto. Diese Leitthemen spiegeln aktuelle Herausforderungen, gesellschaftliche Debatten oder besondere Fragestellungen wider – von Digitalisierung bis Nachhaltigkeit.
Ein Blick auf vergangene Mottos
Die Mottos des Internationalen Museumstags zeigen, wie vielseitig Museen heute agieren. Einige Beispiele:
- 2020: Museen für Gleichheit: Vielfalt und Inklusion
- 2021: Die Zukunft der Museen: Recover and Reimagine
- 2022: Die Macht der Museen
- 2023: Museen, Nachhaltigkeit und Wohlbefinden
- 2024: Museen für Bildung und Forschung
Diese Themen machen deutlich: Museen sind keine statischen Sammlungsorte, sondern dynamische Plattformen für Bildung, gesellschaftlichen Dialog und Veränderung.
Museen heute: Orte der Vielfalt und Partizipation


© https://www.nhm-wien.ac.at/forschung/praehistorie/virtual_reality
Die klassische Vorstellung vom Museum als „Tempel des Wissens“ ist längst überholt. Moderne Museen verstehen sich zunehmend als inklusive Orte, die vielfältige Stimmen hörbar machen – etwa durch partizipative Ausstellungen, durch Zusammenarbeit mit migrantischen Gemeinschaften oder durch Vermittlungsformate, die auf Augenhöhe gestaltet werden.
Gleichzeitig sind Museen Speicher des kollektiven Gedächtnisses. Sie bewahren Objekte aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte – von altsteinzeitlichen Werkzeugen bis hin zu zeitgenössischer Kunst. Dabei stellen sich Museen heute oft die Frage: Was bewahren wir? Wer erzählt hier eigentlich Geschichte? Insofern ist der Internationale Museumstag auch eine Gelegenheit, über die Rolle von Museen zu reflektieren und neue Impulse für ihre Weiterentwicklung zu geben.
Warum gerade jetzt? Die Relevanz im 21. Jahrhundert
In einer Welt, die von rasanten technologischen, sozialen und politischen Umbrüchen geprägt ist, kommen Museen eine wichtige Aufgabe zu: Sie geben Halt, regen zur Reflexion an und bieten Räume für gemeinsames Lernen. In Zeiten von Fake News, Populismus und gesellschaftlicher Polarisierung können sie als Orte der Aufklärung und des Diskurses wirken.
Zudem sind Museen zunehmend auch mit den Herausforderungen der Digitalisierung konfrontiert. Virtuelle Ausstellungen, Online-Sammlungen und hybride Vermittlungsformate verändern die Art, wie wir Museen erleben. Der Museumstag bietet eine Plattform, um diese Entwicklungen zu diskutieren und sichtbar zu machen.
Museen feiern heißt Kultur wertschätzen
Der Internationale Museumstag ist mehr als nur ein Aktionstag – er ist ein Appell, das kulturelle Gedächtnis der Menschheit zu bewahren, zu pflegen und weiterzugeben. Museen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum kulturellen Leben, zur gesellschaftlichen Debatte und zur Bildung. Am 18. Mai – und eigentlich an jedem Tag – lohnt es sich, innezuhalten, zu staunen und sich von der Vielfalt der Museen inspirieren zu lassen.
Denn wie ICOM es formuliert:
„Museen sind Orte des Dialogs, der Bildung und der Verständigung.“
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